Der japanische Begriff Zanshin besteht aus zwei Silben — Zan und Shin.

Im Japanischen wird dies durch zwei Schriftzeichen dargestellt.

zanshin_schriftzug
Zan hat die Bedeutung von Rest. Für Shin gibt es verschiedene Übersetzungsmöglichkeiten:

Es wird mit Körper, Haltung, Form, aber auch mit Herz oder Geist übersetzt.


Ursprung von Zanshin

In den Kampfkünsten finden wir Zanshin zuvorderst im Kyudo, in der Kunst des Bogenschießens. Unter den auch als Hassetsu = acht Stufen genannten Bewegungen und Handgriffen bis zum Abschuss des Pfeils finden wir Zanshin – die zurückbleibende Form von Körper und Geist als achte und letzte Stufe.

Der Schütze verändert im Kyudo seine Haltung nach dem Lösen des Schusses nicht im geringsten. Er blickt dem Pfeil nach, ohne sich darum zu bekümmern, ob der Pfeil sein Ziel erreicht hat oder nicht (er kann es nämlich nicht mehr beeinflussen!). Erst nach einer Weile erfolgt die innerliche und äußerliche Entspannung.

In der wörtlichen Übersetzung kann man diesen Vorgang als Rest – Form oder Rest – Haltung bezeichnen. In übertragenen Sinne hat es die Bedeutung von: die Aufmerksamkeit, die über den Schuss (die Aktion) hinausgeht.

Die für uns wesentliche Bedeutung des Begriffs wird am Besten mit Geistesgegenwart oder Aufmerksamkeit beschrieben.


In der Bedeutung Zanshin für den Karateka gibt es zwei Ebenen

  •  im (Karate) Kampf

Geistesgegenwart im Wortsinn, dass man nicht in der Vergangenheit oder in der Zukunft lebt, sondern voll und ganz im Hier und Jetzt. Durch diese ruhige, konzentrierte Aufmerksamkeit in der Gegenwart ist man in der Lage situationsangemessen auf Angriffe oder Abwehren des Gegenübers zu reagieren (Voraussetzung: die notwendigen und passenden Karatetechniken müssen sicher beherrscht werden).

Diese Aufmerksamkeit (Geistesgegenwart, Wachsamkeit) gilt es auch nach erfolgreichen Aktionen zu bewahren. Die Aufmerksamkeit ist auf den Gegner gerichtet: kommt noch ein Angriff? Dieses Zanshin muss aufrechterhalten werden, bis eindeutig klar ist, dass der Kampf vorüber ist.

  • außerhalb des Karate

Letztlich ist es (zumindest auf dem Papier) sehr einfach. Es gilt die oben geschilderten Prinzipien auf unser Leben, unseren Alltag zu übertragen. Leben im Hier und Jetzt, die Dinge und Situationen wahrnehmen, wie sie sind – sie nicht durch Interpretationen oder Schubladen -Denken verfälschen. Aufmerksamkeit, Geistesgegenwart in allen Lebenslagen bedeutet, dass wir Fehler aus Unachtsamkeit vermeiden. Energie, die wir so sparen, können wir in Aufmerksamkeit investieren.


Ein japanischen Sprichwort beschreibt sehr treffend, was wichtig ist:

„Mizu no kokoro“ 

zanshin-see

„Der Geist muss sein wie die Oberfläche eines stillen, klaren Sees.

Diese Oberfläche wird alles in ihrer Umgebung reflektieren – niemals mehr, niemals weniger!“